Tragling

Schon seit mehreren Tagen stellt sich heraus, dass der Kleine, genau wie sein großer Bruder, auch ein Tragling ist. Das bedeutet, dass er bei Bewegung tief und fest schläft, vorausgesetzt es ist Tag, denn in der Nacht ist wieder alles anders. Tagsüber kann quasi alles passieren, Zoobesuch, landende Flugzeuge beobachten und ein Einkauf im Supermarkt. Stört ihn alles nicht, er schläft friedlich wie ein Murmeltier zur Winterzeit. Doch wenn man jetzt den großen Fehler macht und dieses süße Geschöpf einfach aus seinem Kinderwagen oder Ähnlichem heraus nimmt und ihn in der Wohnung auf eine wunderschöne Krabbeldecke legt, kann man genau bis 35 zählen und dann in zwei erwartungsvolle Augen blicken. Das ist zwar furchtbar süß, aber wie soll man dann den Haushalt machen? Der Kleine möchte entweder 20 – 30 min bespielt und dann getragen werden, oder sofort auf den Arm und glotzen.

Nun ist ja bekannt, dass Männer als starkes Geschlecht gelten, aber nicht so multitasking talentiert sind wie Frauen. Genauer bedeutet das, ich kann den Kleinen tragen bis zum Abend, aber ich bekomme sonst nichts hin.
Von Vorteil ist, den Kleinen beim Joggen ordentlich durchzuschütteln und dann samt Kinderwagentasche in die Wohnung zu stellen. Dann wacht er nicht sofort auf und ich kann in aller Ruhe Einiges erledigen. Auch hat sich der Kauf eines Tragetuchs enorm ausbezahlt. Wenn sich also der Kleine nicht ganz sicher ist, ob er nun schlafen möchte oder nicht, schnalle ich ihn einfach vor den Bauch. Dabei habe ich zwei Hände frei und kann, solange ich in Bewegung bleibe immerhin aufräumen und staubsaugen. Bleibe ich an einer Stelle zu lange stehen, kann es vorkommen, dass der kleine Herr seinen Unmut äußert, und ich mich schleunigst wieder in Bewegung setze.
Sollte der Fall eintreten, dass der Kleine überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommt, gibt es kein anderes Mittel, als mit ihm spazieren zu gehen. So kann man die Gegend in der man wohnt nochmal genau auf Kinderwagenfreundlichkeit überprüfen. Über so etwas macht man sich auch erst Gedanken, wenn man Kinderwägen schiebt. Und ja, es gibt wirklich Barrieren, die nicht so einfach überwunden werden können.

Irgendwann schafft es der Kleine und schläft wieder, doch wiegt er einen auch manchmal in falscher Sicherheit, denn kaum ist man an der Haustür angekommen (und stoppt kurz) gehen die Augen auf.

Ein guter Freund hat einmal gesagt: “Im ersten Jahr kann man seine Eltern gar nicht verwöhnen.” Dies war eine Anspielung auf die allgemein bekannte Aussage, dass man sein Kind im ersten Jahr nicht genug verwöhnen kann. Recht hat er.

Tage, wie dieser

Was Andere sich von ihrem Smartphone sagen lassen, habe ich nicht nötig. Zum Beispiel, wann in Berlin die Sonne aufgeht. Dafür brauch ich keine App, denn der Große ist mindestens eine halbe Stunde vorher wach. Dem kann man natürlich viel Gutes abgewinnen: Man verpasst keinen einzigen Sonnenstrahl, nutzt das natürliche Licht voll aus, usw. Doch heute nicht. Ich schaffe es nur mit Mühe dem Energiewunder zu folgen, nachdem er mir die Decke geklaut hat, meine Augenlieder nach oben gezogen hat, und lauthals nachfragt:” Papa, bist du müde?”

Ja bin ich- aber keine Chance. Wenn ich nicht sofort hinter ihm herstürme, plündert dieses kleine Wunder den gesamten Kühlschrank und macht sich schon selbst Brot. Der Tag beginnt.

Meine ersten drei Worte: NEIN, NICHT, BITTE

Zu spät: Die Küche geplündert und der Tisch versaut, doch das ist jetzt auch egal.

Meine Liebste steht mit dem Kleinen in der Küchentür:” So, der ist auch wach, ich muss duschen. Hier!”

Gut, drei Männer, eine Küche, der Spaß beginnt. Mit einem Kind auf dem Arm lassen sich Brote nicht ganz so gut schmieren, was zu vernachlässigen wäre, wenn man nicht auch noch länger bräuchte. Der Große schreit nach Essen, der Kleine nur so und ich schreie nach ein wenig Liebe. Irgendwann ist der Große satt, der Kleine mit sich und der Umwelt zufrieden und meine Liebste aus dem Haus.

Ich muss noch schnell beim Kinderarzt anrufen, um einen Termin abzusprechen. Nach 15 Minuten in der Warteschleife ist dem Großen langweilig, er beginnt die Küchenschränke auszuräumen. Er nennt es aufräumen. Er ist dabei nicht ganz so leise wie ich es mir wünschen würde. Der Kleine wird wach und schreit. Ein Kind “räumt auf”, ein Kind weint und die freundliche Dame der Warteschleife bittet mich: “Please hold the line!”

Gerne!

Nach 30 Minuten Warteschleife, einem Kind im Arm, einem im Kinderzimmer halb unter Kontrolle, meldet sich endlich eine Artzhelferin:” Wie kann ich helfen?”

Mir fallen spontan nicht die Worte ein, die einem sonst nach einer halben Stunde in der Warteschleife einfallen würden und deshalb bleibt das Gespräch auch kurz. Spontan und schlagfertig ist man ja meist eh erst, wenn es zu spät ist. Ich atme durch, mache grob Ordnung und möchte den Großen mit dem Auto in die KiTa bringen. Ein Fehler, wie sich nach wenigen Augenblicken herausstellt. Die Stadt ist, dank eines Lokführerstreiks, mit Autos voll gestopft. Auch mit Fahrern, die schon lange nicht mehr mit dem Auto in der Stadt waren und nun mal wieder die Gelegenheit zum Kampf in der Großstadt bekommen. Nicht, dass hier schon genug Zweitereiheparker, Paketlieferanten und Taxis rumfahren, jetzt auch noch die.

Die Aggressionen beim Fahren in der Hauptstadt sind an normalen Tagen schon höher als andernorts. 20 Minuten später als sonst erreichen wir die KiTa und, da mir nun echt nicht nach Diskussion und Kompromissen ist, trage ich den Großen gleich bis in den zweiten Stock. Die Verabschiedung klappt ohne Zwischenfall und ich sitze nach weiteren 15 Minuten wieder mit dem Kleinen im Auto. Nach dreimal tief durchatmen und kurzem Grübeln stelle ich fest: Mit Ausnahme der Warteschleife und des Lockführerstreiks war das doch der Beginn eines ganz normalen Tages.

Kommunikation

Jetzt läuft unser Leben zu viert in auffallend ruhigen Bahnen. Dem Großen fällt zwar das alleine Schlafen immer noch schwer und der Kleine muss wohl erst noch eine Beziehung zur abgepumten Muttermilchflasche aufbauen, doch diese Probleme sind lösbar. Man könnte fast von einem normalen Familienleben sprechen, wenn da nicht noch die normalen Probleme, die bei dem Stress fast untergehen, zwischen Paaren wären.
Ja es gibt sie. Es sind keine Erfindungen von Mario Barth. Meine Liebste und ich haben meistens Schwierigkeiten mit der Kommunikation. In den meisten Fällen ist das ja nicht so schlimm, aber bei einer frischen vierköpfigen Familie bringen Störungen der Kommunikation enorme terminliche “Diskrepanzen”. Warum es passiert weiß hinterher keiner mehr, nur wer Schuld ist scheint beiden völlig klar: Der Andere.
“Wie heute kommt deine Freundin zu Besuch?”
“Ich dachte morgen geht ihr zum Kinderarzt!”
Meine Liebste behauptet in 98% der Fälle sie hätte mir schon alles gesagt und ich hätte nicht richtig zugehört. Ich behaupte in 95% der Fälle, dass sie mir nie was erzählt hat. Jetzt muss man kein Mathegenie sein, um zu erkennen, dass da was nicht stimmt. Also ich muss jetzt einmal zugeben, dass ich bestimmt manchmal einfach nicht richtig zuhöre und dann trotzdem ab und zu Ja sage. Warum ich das so offen zugeben kann bzw. muss? Ich habe dieses Verhalten bei unserem Großen beobachtet. Von wem soll er das sonst haben?

Aber nur weil ich gelegentlich nicht zu höre, kann es nicht so oft zu Engpässen im Familienleben kommen. Wir müssen uns noch besser absprechen und den Kalender für die Familie besser nutzen, auch wenn dieser mir zuwider ist.

Doch meine Liebste und ich haben noch eine Möglichkeit gefunden, um den anderen über anstehende Termine zu unterrichten. Was würden wir nur ohne soziale Netzwerke tun?

Digitales Leben

Heute war wieder so ein schöner Tag. Ich stehe, seit unser Zweiter da ist, eigentlich jeden Morgen mit dem Großen auf. An guten Tagen ist das dann so um 7:30 Uhr, an schlechten um 6:30. Mein Sohn ist da ziemlich zuverlässig. Dann wird erst mal gefrühstückt, also eigentlich nimmt nur er etwas zu sich, ich versuche die Energie irgendwie in den Bahnen zu halten. Beim Großen ist es eigentlich seit dem ich denken kann so, dass er, sobald er die Augen auf hat, auch schon zu reden anfängt. Wir haben jetzt sogar festgestellt, dass er im Schlaf redet. Also Augen auf, los gequasselt und dann wird die Wohnung gestürmt. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, habe ich meinen Sohn schon lange nicht mehr langsam gehen sehen. Entweder er rennt oder er steht. Digitales Leben, an und aus, 1 und 0. Da muss man erstmal Schritt halten um 7:00 Uhr am Morgen.

Nach dem Frühstück müssen schnell noch alle Spielzeugkisten im Kinderzimmer ausgekippt werden, getarnt wird dieses Manöver als Suche nach dem einen bestimmten Rennauto. In den meisten Fällen lasse ich ihn gewähren und räume dann später halt kurz oder lang das Kinderzimmer auf. Mein Streben nach Konflikten ist schon unter normalen Umständen eher gering und morgens nahezu im Minusbereich.
Anschließend hat der Große, unter normalen Umständen, ziemlich Lust auf seine KiTa und steht auch schonmal im Schlafanzug im Hausflur und ruft durchs Treppenhaus:”Los geht’s, Papa! Kindagarden!”

Nur unter Protest gelingt es mir ihm die Zähne zu putzen und ihn anzuziehen. Aber dann geht es los.
In der KiTa angekommen geht dann meist der Treppensteig-Krieg los. In solchen Situationen sind Kompromisse meine Waffe, mit der ich es schaffe ohne schreiendes Kind im zweiten Stock anzukommen. Ich trage ihn die Hälfte, die andere Hälfte schiebe ich ihn. So schwer es auch war in seiner Gruppe anzukommen, umso schneller lässt er mich dann alleine stehen. Es gibt wirklich Tage an denen schaffe ich es nur mit Mühe ihm die Jacke und Schuhe auszuziehen, dann rennt er auch schon los. Ich versuche souverän mit einer Hand alles ordentlich am Garderobenplatz zu hinterlassen, mit der anderen fische ich nach meinem rennenden Sohn. Beides gelingt nur halb, aber es ist beruhigend zu sehen, dass auch die Jacken der anderen Kinder nicht immer ordentlich an den Haken hängen. Auf dem Flur erwische ich mein Sprinterkind und kann ihm noch seine Hausschuhe anziehen, dann ist er weg. Ein Winken nach hinten den Blick nach vorne und ein gehauchtes Tschüss ist alles, was ich noch als Aufmerksamkeit erhalte.

Doch daraus mache ich kein Drama, denn wenn ich ein paar Stunden später wieder in diesem Flur stehe, rennt der Große freudestrahlend auf mich zu und ruft aus voller Kehle:”Papa!” Das macht die sparsame Verabschiedung locker wieder wett.

Ratschläge

Ratschläge zu bekommen ist ja schon so eine Sache, aber dann auch noch ungefragt?

In ca. 5% der Fälle kommen sie sehr gut an, aber die Restlichen nerven nur tierisch. Neulich bin ich mit dem Großen, der sich in letzter Zeit auch mal von seiner schlechten Seite zeigen kann, und das auch noch in der Öffentlichkeit, durch eine nicht heimische Fußgängerzone marschiert. Mein Sohn war total übermüdet, auf Grund seines ausgelassenen Mittagsschlafs, und war mit sich uneins, wer er gerade war und wenn ja, wie viele. Wir hatten einen schönen Tag mit Bahn und Bächleboot fahren hinter uns, doch irgendwann ist auch bei unserem Energiewunder, wie bei einem iPhone, am Abend der Akku leer. Wie so oft wenn das passiert, wird er leidlich und findet alles doof. Ich flaniere also die Fußgängerzone mit schreiendem Kind an der Hand hinunter und ernte dabei verständnisvolle Blicke von Eltern, die sich noch zu gut an die Trotzphase der eigenen Kinder erinnern können. Doch plötzlich stellt sich mir eine wohlgekleidete, ca. 60 jährige Dame in den Weg und sagt:” Vielleicht kann er jo nimmer marschiere, nemme Se ihn halt e mol uffn Arm!”

Das sind genau die Augenblicke, in denen man eigentlich souverän und gelassen einfach weitergehen sollte. Sie kennt das Kind nicht, weiß nichts über die Vorgeschichte. Sie hat wahrscheinlich auch nicht gesehen, dass ich den Großen bis vor ca. 100 Metern noch auf dem Arm hatte, wogegen er sich heftigst wehrte und dabei brüllte:” Will alleine gehn!”

Ohne Reaktion, mir jeglichen Kommentar verkneifend und tief aus meiner Mitte heraus atmend, gehe ich an der Dame vorbei… Pustekuchen! Wenn ich doch endlich Yoga machen würde. Mach ich aber noch nicht und deshalb gehe ich auf die Dame ein.

“Wenn ich einen Ratschlag in Sachen Erziehung benötige, kommen ich gerne auf Sie zurück, jetzt im Augenblick benötige ich Keinen. Vielen Dank.”

“Des arme Büble, mache Se doch ebs!”

“Mischen Sie sich bitte nicht in Sachen ein, von denen Sie keine Ahnung haben.”

“Pah! Kei Ahnung? Ich war jo selberemol e Mudder!”

“Ja genau, WAREN! Einen schönen Tag noch!”

Nach diesem kleinen verbalen Faustkampf verlassen die Kontrahenten den Ort des Geschehenes mit jeweils einer Menge Frust im Bauch. Übrigens, der Große brüllte die gesamte Zeit weiter, bis wir endlich wieder in einer Straßenbahn saßen.

Diese Situation ist so beispielhaft für ungefragt Kommentare und Ratschläge in unserer Zeit mit Kindern. Gerade bei dem Ersten war es besonders schwer. Wir selbst waren total unsicher und wenn es dann noch Menschen mit sinnlosen Kommentaren schaffen einen aus der gerade konstruierten Bahn zu werfen, wird es echt hart. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit als der Große in sein eigenes Bett ausquartiert werden sollte und alleine einschlafen sollte.

Die schönsten Sprüche aus der Zeit waren:

“Der arme Bub, ganz alleine in dem Zimmer” und

“Die muss man halt auch mal schreien lassen”

Vielen Dank noch mal an die damaligen Sprücheklopfer, sie haben uns leider keinen Schritt weiter gebracht. Wir waren beide so unsicher, wie das  jetzt funktionieren soll. Nur in dem Punkt, dass wir unser Bett wieder für uns zurück haben wollten waren wir uns einig. Denn irgendwann möchte man einfach mal wieder eine gewisse Zweisamkeit zurück, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist.

An den ersten Versuch erinnere ich mich auch noch sehr gut, der war so hart für alle Beteiligten, dass unser Besuch damit drohte, sofort abreisen zu wollen, wenn wir den Versuch nicht augenblicklich abbrechen würden. Leider war auch das keine allzu große Hilfe, aber zum damaligen Zeitpunkt (bei dem Geschrei) verständlich.

Geschafft haben wir es im übrigen dann ca. eine Woche später und zwar habe ich mich drei Nächte in Folge an das Bett des Großen gelegt und damit war die Sache gegessen. Ohne Schreien und ohne blutende Elternherzen.

Dies ist natürlich kein Ratschlag, sondern ein Erlebnisbericht. Jeder sollte die Erziehung in schweren Situationen so meistern, dass er/sie sich  nicht quält und schon gar nicht die lieben Kleinen.

Die Überarbeitung des Masterplans

Wir sind ein junges Paar (30 und 26), haben zwei Kinder (2,5 Jahre und 7 Wochen) und wir hatten einen Plan. Eigentlich hatten wir einen Masterplan, mit dem man jede Eventualität und jeden Angriff auf die heile Familie hätte abwehren können. Wir waren so blauäugig und glaubten, dass das Leben planbar ist. Gerade auch mit zwei Kindern! Unser Leben sollte so ablaufen, wie wir es geplant hatten.

Unser Masterpaln hat mittlerweile mehr Randnotizen als meine Geschichtsklausur aus der neunten Klasse, die irgendwie an mir vorbei gegangen ist. Da sieht man es wieder, Phantasie hat bei Geschichtsarbeiten und Masterplänen nichts zu suchen!

Der aktuelle Stand: Wir befinden uns zur Zeit im wunderschönen Südwesten Deutschlands, bei phantastischem Wetter in einer kostengünstigen Übernachtungsmöglichkeit. Soweit das Positive.

Am Anfang mussten wir die knappen 850 km irgendwie in Angriff nehmen und, da wir nicht immer Gewohnheitstiere sind, hatten wir schon hier einen neuen Plan. “Wir fahren nachts!”, entschloss meine Liebste, natürlich nicht so einfach aus dem Bauch heraus sondern, weil ich es ihr einen Tag zuvor selbst vorgeschlagen hatte. Und wenn man plötzlich mit etwas Abstand seinen eigenen Vorschlag nicht mehr gut findet….

Also fahren wir nachts. Genauer ausgedrückt, Einer fährt durch die Nacht, Drei werden gefahren (schlafend).

Doch dies stellte sich als folgenschwerer Fehler heraus. Der Große hatte bei Abfahrt schon leicht erhöhte Temperatur. Halb so schlimm, Lampenfieber geht wieder weg.

Wieder lassen sich Phantasie und unsere Pläne nicht vereinbaren!

Dem Kleinen hat man die Fahrt zum Glück überhaupt nicht angemerkt. In der Nacht gab es zweimal eine Still-/Bewegungspause, diesmal Letzteres vor allem für mich. Der Große jedoch hat im Auto eine starke Erkältung ausgebrütet, die so hinterhältig war, dass sie mich gleich mit dahin gerafft hat.

Jetzt sind wir schon geschlagene sechs Tage hier und ich habe nichts, außer der nächsten Apotheke und einer Kinderärztin gesehen. Die Nächte schlafen wir in getrennten Betten. Die Einen im “gesunden” Bett, die Anderen im “Krankenlager”. Angesteckt habe ich mich ja eh schon längst. Da der Große mit Fieber noch unruhiger schläft als sonst, werde ich in der Nacht mehrfach getreten und habe hin und wieder einen verrotzten Kopf auf meinem eigenen liegen. Schlaf darf auch nicht mehr so wichtig sein, wenn man Vater ist.

Meine Frau dreht schon Kreise: Sie ist kerngesund (vielleicht umgekehrter Nestschutz?) und schläft neben einem völlig zufriedenen Säugling, der die ganze Sache zum Glück nicht so ernst nimmt.

Der kleine feine Unterschied

Jetzt sind wir seit sechs Wochen also zu viert und langsam bekommt man das Gefühl wir sind auf einem guten Weg, manchmal zumindest.
Doch schon jetzt zeigt sich, welche Unterschiede beim Zweiten gemacht werden. Man könnte sagen, das zweite Kind zu sein ist sowohl Fluch als auch Segen. Segen weil die Eltern routiniert sind und so ziemlich jedes kleine Alltagsproblem durchschauen und lösen können. Dies machen sie mit einer Gelassenheit, dass es sich garantiert auf das Kind auswirkt.

Als Fluch könnte man sehen, dass die Eltern nicht umbedingt die Ausdauer für den Lösungsweg haben. Dem  Ersten konnte man noch bei Bauchschmerzen in der Nacht stundenlang den Selbigen massieren und ihn abwechselnd im Fliegergriff durch die Wohnung tragen, bis zum Sonnenaufgang, denn irgendwann schlief das Kind ein und man selbst dann auch. Das geht jetzt natürlich nicht mehr so ohne Weiteres, denn wenn wir jetzt den Kleinen die ganze Nacht lang betuddeln, ist der Große, der übrigens fantastisch in unserem Doppelbett schläft, natürlich trotzdem um Acht ( 20 Minuten nachdem der Kleine eingeschlafen ist) hellwach. Selbstverständlich ist der Große der bis dahin Einzige, der vernüftig geschlafen hat. Er lässt sich auch durch nichts und niemanden seine bevorzugte Schlafposition nehmen (Er schläft quer statt längs im Bett).

Auch unterschiedlich ist die Bekämpfung der Säuglingskoliken. Ich erinnere mich noch gut an den Tag als eine Freundin (medizinisches Fachpersonal) mir den Tipp gab, bei Koliken sab simplex zu verabreichen. Warum ich mich so gut erinnere? Naja, ich erzählte es am gleichen Tag meiner Frau, die mich nur beim Erwähnen des Medikaments mit ihrem Blick beinahe tötete. Wir hatten einen kleinen Streit über Schulmedizin (durch meine Seite vertreten) und alternative Medizin. Damals setzte sie sich durch, da auch die Hebamme auf ihrer Seite war. Und ganz ehrlich, durch diese Zeit habe auch ich ein wenig zur Homöopathie gefunden.
Und jetzt? Alles anders? Diplomatisch ausgedrückt, die Komplementärmedizin ist immer noch die erste Wahl, aber es gibt jetzt auch mal den Griff nach Medikamenten der Pharmaindustrie. Natürlich bin ich Gentleman und tanze nicht triumphierend durch die Wohnung, sondern kommentiere die Wahl mit einem wohlwollenden Schmunzeln.
Naja am Anfang habe ich doch getanzt, aber die Mieter unter uns haben sich beschwert.
Natürlich bin auch ich der Meinung, dass der alternative Weg wohl das Beste für unsere Kinder ist. Auch weiterhin bleibt die Schulmedizin eine Ausnahme (wenn wir einfach mal Schlaf brauchen oder wir glauben, dass sonst nichts anderes hilft).

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Familienausflug

Bei unserem ersten Ausflug zu viert wurde uns trotz genauster Planung wieder einmal gezeigt, dass Entfernung nicht gleich Entfernung ist.

Als Pärchen ohne Kinder ist man in das Auto gestiegen und meist erst am Zielort wieder ausgestiegen. Dabei passte das Gepäck bequem in den Kofferraum eines Kleinwagens. Mit zwei Kindern scheint selbst das Ladevolumen eines Hochdachkombis zu gering zu sein. Die Fahrt wird auch nicht in einem durchgezogen, sondern von Still- und Bewegungspausen unterbrochen. Zum Glück lassen sich diese ganz gut kombinieren. Einen enormen Vorteil haben die länger dauernden Fahrten: Entfernungen werden einfach wieder bewusster wahr genommen.

Trotzdem erreichten wir jedes unserer Ziele, nur etwas später als gewohnt.

Getroffen haben wir auf unserer Reise die unterschiedlichsten Familienmodelle:

Modell A: Zwei Erwachsene ein Kind in einer Dreizimmerwohnung

Modell B: Eine Erwachsene und ein Kind in einer WG

Modell C: Zwei Erwachsene, zwei Kinder, ein Hund, eine Katze und mehrere Hühner in einem Einfamilienhaus auf dem platten Land.

Besuch bei Modell A stand unter keinem guten Stern, da dies unser erster Anlaufpunkt direkt nach der langen Autofahrt war. Der Kleine zeigte sich mit der Gesamtsituation etwas unzufrieden, was er auch deutlich zum Ausdruck brachte. Meine Liebste hatte ihn also die ganze Zeit an der Brust hängen, was ihre Bewegungsfreiheit natürlich extrem einschränkte. Der Große schien zufriedener, da er sich nach der langen Fahrt endlich wieder bewegen konnte. Allerdings bedeutete dieser erhöhte Bewegungsdrang mehr Stress für mich, da ich ständig hinter ihm her laufen musste, damit er nichts zerstörte, was den Wohnungseigentümern am Herzen liegt.

Der Besuch bei Modell B stand unter einem besseren Stern, da die Anfahrtszeit geringer war- wir waren ja schließlich schon vor Ort. Genauer genommen war das ein Doppelbesuch: Wir besuchten eine gute Freundin meiner Liebsten- also ein Treffen unter Erwachsenen und unser Großer traf seine Krabbelgruppen-Freundin, mit der er die ersten anderthalb Jahre seines Lebens viel Zeit verbrachte.

Was mir bei diesem Besuch ziemlich deutlich gemacht wurde, war, dass ein wenig Anhänglichkeit auch seine Vorteile hat. Die Freundin unseres Großen hat ein starkes Bedürfnis in der Nähe ihrer Mutter zu bleiben, unser Sprössling vermittelt dahingegen stark den Eindruck, die für ihn fremde Stadt auf eigene Faust erkunden zu wollen. Ein gemeinsamer Spaziergang wurde so zu einer Geduldsprobe.

Da wir ja mittlerweile zu routinierten Reisenden geworden waren, standen die Vorzeichen für einen Besuch bei Modell C am Günstigsten. Hier konnten wir uns als Erziehende mal zurücklehnen, da die beiden Großen absolut selbstständig miteinander spielten. Dabei stellte ich ein Abhängigkeitsverhältnis fest: Unser Großer, knapp anderthalb Jahre jünger als sein Spielkamerad, ernannte diesen zum Vorbild. Sein Vorbild wiederum sah in ihm eine Art Versuchskaninchen: Unter anderem probierte unser Kind weihnachtliche Fensterdekoration aus Gummi, testete die Reaktion von uns Erwachsenen auf die Treppe herabfallende Spielsachen usw. Unser Großer ist bei diesen Aktivitäten natürlich nicht als Opfer sondern als Mittäter zu betrachten.

Außer dass wir Erwachsenen uns bei diesem Besuch erholten und ziemlich wohl gefühlt  hatten, erweckte er in uns Zukunftsträume: Der Wunsch nach einem eigenen Haus mit abgeschlossenem (großem!!!) Garten. In meinen Augen das Beste, wenn man ein Kind mit erhöhtem Bewegungsdrang hat.

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Das Ende der absoluten Spontanität

Vor gar nicht allzu langer Zeit konnte meine Liebste  mir eine sehr große Freude machen, wenn sie mir am Ende der Woche auf meine Frage:” Und was machen wir am Wochenende?” antwortete:

“Lass uns doch ans Meer fahren” oder “Wir waren schon lange nicht mehr in Prag!”

Ich bin und bleibe sehr gerne spontan und unternehme gerne Reisen, aber bei zwei Kindern bedarf das sehr guter Organisation. Dies ist einer der seltenen Momente, in dem sich Kriegsdienstverweigerer doch wünschten beim Bund gewesen zu sein. Wegen der Planung, des Packens und der Fähigkeit ein Wochenende mit einer Hose auszukommen.

Gut, diese Option fällt weg und meine Frau hat auch keinen Dienst an der Waffe geleistet. So sind wir, was das Organisationstalent angeht, ähnlich.

Genau das ist der Grund, warum ein Ausflug eher dem Versuch auszuwandern ähnelt. Das Auto ist bis unters Dach gefüllt mit allerlei nötigem und auch unnötigem Kram. Was hiervon nützlich ist/sein wird, zeigt sich aber erst am Ende einer Reise.

Ein gutes Beispiel lieferten wir in der letzten Woche. Angedacht war ein verlängerter Wochenendausflug quer durch den Norden Deutschlands. Geplant war diese kleine Reise seit drei Wochen. Das Gepäck für die lieben Kleinen war schon am Vorabend in Sack und Tüten und dann kam die Nacht:

Der Große tut sich ja schwer mit dem alleine schlafen und so ist das 1,80m breite Bett dann doch ein wenig zu klein. Das liegt aber auch daran, dass er auch Schwierigkeiten mit dem normal im Bett liegen hat. Er bevorzugt es diagonal oder auch quer darin zu schlafen. Dadurch wird mein Schlaf mehrfach durch Füße im Gesicht gestört. Doch sein unruhiger Schlaf hindert ihn nicht daran um 7:00 Uhr aufzustehen, was allerdings gut für unser Zeitmanagment war. Der geplanten Abfahrt um 10:00 Uhr stand erstmal nichts im Weg.

Der Kleine hatte die Nacht Koliken und dadurch meine Liebste keine gute Nacht. Sie nutzt dann die Zeit, wenn ich morgens mit dem Großen aufstehe, um sich noch einmal umzudrehen. Dadurch war die geplante Abfahrt gefährdet.

Letztendlich sind wir so gegen 11:30 Uhr abgefahren mit einem total überfülltem Auto, einem Großen der kurz vor dem Mittagsschlaf stand, einem satten Kleinen und zwei Erwachsenen kurz vor dem Nervenzusammenbruch.

Der Start in einen ganz normalen Familienausflug

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Stillen

Eine der Fragen, die von Anfang an immer wieder gestellt wurden, nachdem ich erzählte, dass ich in Elternzeit gehe, war: “Und wie macht ihr das mit dem Stillen?”

Dann gab es meist einen ungefragten Vortrag über die Wichtigkeit des Stillens, bevor ich überhaupt einatmen konnte, um die Antwort zu geben.

Anfangs habe ich das immer mit sehr viel Humor genommen und habe auf den Film hingewiesen, in dem sich ein älterer Mann eine Silikonbrust umhängt, um sein Enkelkind zu “stillen”. Angeschloßen werden Flaschen mit Muttermilch, damit das Kind die beste Nahrung zugeführt bekommt.

Doch nach und nach, und je häufiger ich die Frage gestellt bekam, desto unsicherer wurde ich. Hier spielte natürlich auch mein bestehender Neid auf das Stillen mit. Als Mann hat man einfach kein Mittel eine ähnliche Bindung aufzubauen. Zu oft kommt die Situation, dass der Kleine schreit, ich habe ihn auf dem Arm und spiele mein Repertoire ab: Storchenschritt, wiegen, streicheln und dazu aus dem Fenster schauen, doch in vielen Fällen hilft das alles nichts. Dann kommt meine Liebste, öffnet die “Milchbar” und es herrscht Ruhe im Heim.

Da wird man doch zunehmend verrückt. Das will ich auch, geht es mir durch den Kopf. Doch wenn ich mir gerade die aktuelle Situation bei uns anschaue, möchte ich doch nicht mehr unbedingt tauschen. Der Kleine hängt manchmal die halbe Nacht an der Brust. Nicht, dass er die ganze Zeit trinkt. Er tut das einfach nur so zum Ausruhen- ist ja auch schön gemütlich, warm und weich. Sobald meine Liebste nur versucht ihn wegzulegen wird lautstark protestiert. Da bin ich doch lieber der Unterhalter für den Großen ab 6:30 Uhr. Ist zwar auch anstrengend, zumal ich mir meine Seite des Bettes jede Nacht ab 2:30 Uhr mit ihm teilen muss, aber besser als vom Kleinen bei der kleinsten Bewegung mitten in der Nacht angeschrien zu werden.

Die Zweifler, die mir die Geschichte mit der Umhängebrust nicht abgekauft haben, erhielten, nachdem ich dann mal zu Wort kam, einen detaillierten Einblick in meinen perfekt geplanten Tag:

Meine Liebste verlässt das Haus, nachdem der Kleine noch mal gestillt wurde. Dann mache ich dem Großen Frühstück und den Kleinen fertig.Dann auf in die Kita des Großen und auf dem Rückweg mit dem Kleinen nochmal bei meiner Liebsten vorbei zum Stillen und auf nach Hause. Wenn nötig wird dort abgepumpte Muttermilch mit einer neuen, ergonomischen Saugflasche verabreicht.

Soweit der Plan. Wer mich genauer kennt weiß, dass Pläne nicht so ganz mein Ding sind, aber dieser klingt für mich erfüllbar.

Na gut, manchmal füge ich meiner Geschichte noch hinzu, dass ich in einem Park, der nahe dem Arbeitsplatz meiner Liebsten liegt, regelmäßig joggen gehen werde und während der Große frühstückt, schneide ich Obst und Gemüse für den kleinen Hunger zwischendurch….

Man darf ja wohl noch träumen, oder?